61. Literaturtagung

11.07.2022

Stoffe des Erzählens. Materialität, Verkörperung, Performanz.

Zeit: 24. - 26. November 2022,

Ort: Bildungshaus St. Hippolyt, St. Pölten.


„Stoffe“ sind inhomogene, sinnlich erfahrbare und damit berührende Gewebe, die eine Brücke schlagen zwischen der Dingwelt, über die wir gemeinhin zu verfügen meinen, und der imaginativen Welt, die fernab der Realität im Geist verortet scheint. Wir können als menschliche Wesen allerdings keine Geschichten im Nichts entstehen lassen, wir bedürfen dazu des Materials, aus dem wir diese erst herausspinnen, zusammenstricken oder einwickeln müssen. Das mündliche Erzählen besitzt eine dominante „materielle“ Seite, die uns noch heute ganz selbstverständlich gegenübertritt und entgegenschallt: der Einsatz von Körper, Stimme, Mimik, die Miteinbeziehung von Gegenständen in der näheren Umgebung und so fort – all das verweist auf den „Stoff“, der die Geschichte trägt und in dessen Gewand sie gekleidet ist. Eine Geschichte vorzulesen oder gar zu inszenieren hat den Charakter einer Performance, manchmal auch performativen Charakter. All das gilt gleichermaßen für das Erzählen in Bildern und Schrift, auch wenn sich das Material hier weniger aufzudrängen scheint und wir es gewohnt sind, den „Plot“ zusammenzufassen, wenn wir den „Stoff der Geschichte“ benennen wollen. Es war jedoch von den Anfängen der Literalität an entscheidend, welchen Materials sich die Menschen bedient haben, um ihre Botschaften an andere, die zeitlich oder räumlich entfernt waren, zu übermitteln und dieses Medium war und ist – so phrasenhaft das viele Jahre nach McLuhan auch klingen mag – damals wie heute vom Inhalt nicht zu trennen. In den Anfangszeiten der Literatur, als das Material noch ein knappes Gut war und manchmal bereits die Initiale einer Erzählung eine ganze künstlerisch ausgestaltete Welt enthielt, war das Wissen darum wohl noch stärker präsent. Später hat es sich abseits der Wissenschaften – und mitunter auch in diesen – nahezu verloren, allerdings treten die Kategorien „Materialität, Verkörperung und Performanz“ in der postmodernen Welt wieder deutlicher in den Vordergrund und jüngere kulturwissenschaftliche Strömungen wie der „spatial turn“ oder der „material turn“ legen davon begriffliches Zeugnis ab.

Wiewohl Bild-Erzählungen und virtuelle Räume das Leben unserer Schülerinnen und Schüler massiv beeinflussen, ist uns Lehrenden diese Seite der Rezeption, die in der Produktion von Kunstwerken meist stärker erfahren wird, oft nicht bewusst oder wir wissen sie nicht zu beschreiben. Aus eben diesem Grund ist die 61. Tagung des Instituts für Österreichkunde den „Stoffen“ des Erzählens gewidmet. Wir wollen dabei Fragen in den Mittelpunkt stellen wie jene, woraus dieses Gewebe gemacht ist, das im Medium der Schrift, des Bildes, der performativen Künste oder des Virtuellen Geschichten flicht und dabei Greifbares und Unantastbares, Gegenstand und Imagination, Objekt und Subjekt miteinander verknüpft. Nicht zuletzt sollen im Prozess dieses Fragens auch Kunstschaffende zu Wort kommen, die von der Produktionsseite aus von der (Selbst-)Bestimmung des Materials, der Formen und der Verkörperung erzählen können.